Arbeitgeberattraktivität durch bedarfsgerechte Arbeitszeitgestaltung – Praxis und Wissenschaft im Dialog
Eine der größten Herausforderung in der Pflege liegt in der Sicherstellung ihrer personellen Basis. Ende September (27.09.2023) fand im historischen Ambiente des Textiltechnikums in Mönchengladbach der erste überbetriebliche Dialog des Projektes „Pflege:Zeit“ zur Diskussion dieser Frage statt. An dem Dialog beteiligten sich mehr als 30 Vertreter*innen aus der Praxis und Wissenschaft. Die Veranstaltung war Teil der Aktionswochen "Menschen in Arbeit - Fachkräfte in den Regionen" der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA).
Nach der Begrüßung durch den Geschäftsführer Helmut Wallrafen von der Sozial-Holding der Stadt Mönchengladbach als Praxispartner und Gastgeber, sowie einem Grußwort des Oberbürgermeisters der Stadt Mönchengladbach Felix Heinrichs, stellte Theresa Thoma-Lürken vom Projektpartner MA&T Sell & Partner GmbH die Hintergründe, Ziele und Vorgehensweise des Projektes Pflege:Zeit vor.
Das Projekt ist ein Förderprojekt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) im Rahmen der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA). Ausgehend von Recherchen und Lernreisen zu praktizierten Arbeitszeitmodellen werden in dem Projekt mit und für die Mitarbeitenden innovative Lösungen zur Arbeitszeitgestaltung in der stationären Altenpflege entwickelt und in Experimentierräumen erprobt. „Nur wenn im Ergebnis die Zufriedenheit der Mitarbeitenden wächst und sowohl die persönlichen Bedarfe der Mitarbeitenden als auch der Anspruch an gute Pflegequalität erfüllt ist, kann letztlich das übergeordnete Ziel der Stärkung der organisationalen Resilienz erreicht werden“, so Theresa Thoma-Lürken. In der Präsentation von Denise Becka vom Institut für Arbeit und Technik zu zentralen Ergebnissen der Pflegepotenzialstudie „Ich pflege wieder, wenn…“ wurde die große Bedeutung einer mitarbeiterorientierten Arbeitszeitgestaltung für die notwendige Steigerung des Arbeitszeitvolumens mit empirischen Belegen untermauert.
Im Anschluss stellten Helmut Wallrafen und Gerd Palm, Geschäftsführer der St. Gereon Seniorendienste, Herausforderungen und Beispiele aus der Praxis zur Verbesserung der Attraktivität des Pflegeberufs durch flexible Arbeitszeitgestaltung vor. Neben mehr Druck aus der Praxis für Fortschritte ist daher Eigeninitiative der Unternehmen gefragt: „Wir müssen die demografischen Fakten und die Realität des Wertewandels anerkennen“ so Helmut Wallrafen. Ein entscheidender Schlüssel für das Halten und Gewinnen von Fachkräften sei eine an den Lebenslagen und Bedürfnissen der Mitarbeitenden ausgerichtete Arbeitszeitgestaltung. Denn es gäbe kein Arbeitszeitmodell, dass für alle passe.
„Die Schaffung eines Fundaments für eine familienfreundliche Unternehmenskultur, die sich auch in der Führungskultur niederschlagen muss, ist ein zentraler Erfolgsfaktor für die Umsetzung von Angeboten zur Arbeitszeitflexibilisierung“, so Gerd Palm. Zwei Statements leiteten über in den Praxisdialog. Roland Weigel von der Ruhgebietskonferenz Pflege hob hervor, dass seit längerem verschiedene Lösungsansätze erprobt wurden, die sich jedoch nicht in der Fläche verbreitet haben. Daher plädierte er im Interesse des Transfers dafür, die erforderlichen Change-Management-Prozesse in der Diskussion mit den Praxispartnern und im Projektverlauf aufzugreifen.
Frank Brenscheidt, Arbeitszeitexperte der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) und fachlicher Begleiter des Projektes betonte: „Langfristig gesehen, bieten flexible Arbeitszeiten nur dann eine Chance für Betriebe und Beschäftigte, wenn die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Beschäftigten berücksichtigt werden. In diesem Sinne müssen „gute“ flexible Zeitmodelle auch die Erkenntnisse zu gesundheitlichen Aspekten der Arbeitszeitgestaltung berücksichtigen.“
Im Anschluss erfolgte die Diskussion zu den Beiträgen und der offene Austausch über Ideen, Ansätze und Vorgehensweisen für die Gestaltung neuer Arbeitszeitregelungen in drei thematischen Kleingruppen: Gerechtigkeit und Fairness, Flexibilität versus Zuverlässigkeit und Erfahrungen mit Arbeitszeitmodellen standen jeweils im Fokus. Nach der Vorstellung zentraler Diskussionspunkte im Plenum dankte Theresa Thoma-Lürken allen für die rege Diskussion und die vielfältigen Anregungen. “Lasst uns diesen wichtigen Dialog fortsetzen und weiterhin unsere Erfahrungen teilen.“